Wie alle Kinder mußte auch Guido die Erfahrung machen, daß die Welt der Märchen nicht mit dem Alltag eines Kindes verträglich ist. Wo gab es denn schließlich all die abenteuerlichen Figuren wie Riesen, Zwerge oder gute Feen. Zwar behauptete die Mutter immer, der Hausmeister sei ein Giftzwerg, aber Guido konnte dem nicht zustimmen. Denn schließlich war er zu Kindern sehr nett und Zipfelmütze trug er auch keine.
Wie immer fand Guido einen Ausweg. Man braucht sich eben nur unter einen Tisch zu setzen und nachzudenken. Da fällt einem vieles ein. Guido überlegte sich, welche Ereignisse schlecht anfangen und dann fast wie durch ein Wunder gut ausgehen. Da fiel ihm ein, daß er eigentlich sehr gegen Baden und Waschen war. Jedoch passierte es immer wieder, daß er nach dem Baden ein wohliges Gefühl hatte, und daß er dann - er wurde immer am Abend in die Wanne gesteckt - angenehm duftend besonders gut einschlief. Da dies ein Widerspruch war, konnte nur eine besondere Macht diesen Umschwung herbeiführen.
Plötzlich fiel es ihm ein. Es war ja vollkommen klar: es war die Seifee, die da ihre Hand im Spiel hatte. Sie war es, die den zarten Duft verbreitete. Sie war es, die einmal grün und einmal gelb, den Umschwung von Ärger in Wohlgefallen herbeiführte.
Guido ging in das Badezimmer, um sich zu vergewissern. Da lag sie am Waschbecken, von den Erwachsenen lieblos als Gebrauchsgegenstand behandelt.
Guido schüttelte den Kopf. Es ging ihm nicht ein, warum die Erwachsenen die gute Fee Sei nicht als solche erkannten. Nicht einmal ihren Namen wollten sie richtig schreiben. Aber dann dachte er sich, die Fee Sei wird sicherlich wissen warum. Schließlich wurde sie ja jedes Mal kleiner beim Waschen und verschwand dann um als neue Seifee wiederzukehren.
Guido beschloss von nun an sehr lieb zur Seifee zu sein. Am Morgen sagte er: Guten Morgen liebe Fee Sei und abends vergaß er nie, sich zu verabschieden. Um sich der Huld der Seifee zu vergewissern, legte er sich auch einen neuen Wahlspruch zurecht, nämlich „Sei's wie es sei“, denn nur er wußte, daß es damit eine besondere Bewandtnis hatte. Denn man brauchte nur „Sei's wie es sei“ sagen, schon half einem die Seifee in allen widerwärtigen Situationen. Selbst erboste Erwachsene fingen beim Ausspruch des Zauberspruches „Sei's wie es sei“ zu lachen an.
© Peter Weinberger 2015