Guido fand es ausgesprochen ulkig, daß der Teil des Schlüssels, der sich auf dem Stiel befindet, Schlüsselbart heißt. Das Wort reizte ihn. Es verlockte dazu, sich Schlüssel einmal anders vorzustellen. Der große schwere Bodenschlüssel, der hatte natürlich einen Schlüsselvollbart, wie konnte es denn anders sein. Er schien auch der würdigste unter den Schlüsseln zu sein. Außerdem hatte er so einen gesetzten Klang, wenn er hinunterfiel. Und der Schlüssel zur Wohnungstüre sollte einen Schlüsselschnauzbart haben. Er war ein Individualist, denn manchmal mußte man sich ganz schön abmühen, bevor er sperrte.
Für jeden einzelnen Schlüssel am Schlüsselbund dachte sich Guido etwas aus. Aber dann fiel ihm plötzlich ein, daß ein Schlüsselbart eigentlich noch viel mehr könne. War der Schlüssel böse, dann schliff er seinen Bart. War er zufrieden, ja, dann fuhr er sich gluckernd durch den Schlüsselbart. Nur eins konnte sich Guido nicht vorstellen, nämlich was macht der Schlüssel, wenn er seinen Bart stutzt. Na?
Das richtige Bartgefühl, genau das war es, was einen Schlüssel ausmacht. Wollte man die große braune Bodentüre aufsperren, dann steckt man eben den besagten Vollbart ins Loch, der Postkasten ließ sich mit dem Schlüsselschnurrbärtchen öffnen.
Der Opa hatte einen Schlüsselbund, wo alle Schlüsselbärte Binden trugen. An den roten und gelben Schlüsselbartbinden erkannte Opa, welchen Schlüssel er zu verwenden hatte.
Es machte Guido viel Spaß, sich zu jedem Schlüssel den richtigen Bart vorzustellen: Schließlich sind Schlüssel nicht nur zum Sperren da.
© Peter Weinberger 2015