Buchkultur, Heft 149, August/September 2013

 

Peter Weinberger ist der letzte in Wien Ansässige einer ehemals großen jüdischen Familie. Der Physiker mit literarischen Ambitionen – im Österreichischen Literaturforum sind unter anderem erschienen: „Die kleine Frau Hofmann“, „Lepra“ und „Nanopolis“ – hat nun in „Wohlgeordnete Einsamkeit“ versucht, das Leben mehrerer Generationen zeitgleich darzustellen. Er hat die Geschichte seiner Kindheit und Jugend mit dem Schicksal seiner Eltern, Onkeln und Großeltern verschränkt. Er kam eine Woche, nachdem seine Großmutter und zwei seiner Onkel nach Theresienstadt abtransportiert worden waren, auf die Welt. Das prägt. Völlig kunstlos, nie auch nur den geringsten Versuch unternehmend, Gefühle verursachen zu wollen, stellt er das alles dar. Kurz streift er seine früheste Kindheit bei einem oberösterreichischen Pfarrer, der ihn und seine Mutter im Krieg versteckt hielt, um sich dann dem Heranwachsen im Floridsdorf der Nachkriegszeit zu widmen. „Wohlgeordnete Einsamkeit“ heißt das Buch aus zwei Gründen. Floridsdorf war damals vom übrigen Wien so gut wie abgeschnitten (die Nazis hatten die Floridsdorfer Brücke über die Donau gesprengt) und dann waren die Weinbergers durch die Gegebenheiten im Nachkriegsösterreich ja auch von den noch lebenden Verwandten in der Tschechoslowakei, in England und Amerika getrennt. Weinberger weiß von den Schuldgefühlen seiner Mutter, die daraus entstanden, überlebt zu haben. Er hat diese Schuldgefühle geerbt. Er gibt aber auch ein von jeglicher sentimentalen Nostalgie freies Bild, wie Kinder im Nachkriegs-Wien aufwuchsen. Und auch vom Bankensanieren ist damals in einem Brief der Mutter schon die Rede. Es gelingt Weinberger, Atmosphäre zu vermitteln, und man kommt um die Erschütterung nicht herum. Peter Weinberger stellt die letzten erhaltenen Briefe seiner von den Nazis ermordeten Großmutter und seiner Onkel an den Schluss des Buches. KONRAD HOLZER