Die Zahnspaghetti

   
   
   
   

„Nimm nicht immer soviel Zahnpasta, Guido“, schimpfte seine Mutter, „das ist ja jedes Mal eine ganze Wurst, die du auf deine Zahnbürste ladest. Ich komme gar nicht mit dem Einkaufen nach, ständig brummt irgendwer in dieser Familie, die Zahnpastatube ist schon wieder leer“.

Guido war beleidigt, denn für das brave Zähneputzen ausgeschimpft zu werden, fand er im höchsten Maße ungerecht. Er kroch unter das Bett, um sich vor der restlichen Welt zu verstecken.

Während er da unter dem Bett im Halbdunklen lag, fiel ihm ein, daß Zahnpasta eigentlich ein sehr merkwürdiges Wort ist. Eine Pasta ist doch zum Essen, dachte er sich, noch dazu gehört sie zu meinem Lieblingsessen! Nudeln aller Art liebte er überaus, Nudeln konnte er fast zu jeder Tageszeit essen,

Also, wenn Zahnpasta wirklich eine Pasta ist, dann muß es auch Zahnspaghetti, Zahnravioli, Zahnfarfale, Zahncannelloni und Zahntagliatelle geben. Spaghetti mit so einer grauslichen weißen Creme, die aus einer Zahnpastatube kommt? Pfui Teufel, da wird einem ja der ganze Appetit auf Nudeln verdorben.

Und außerdem, jeder bis auf Babys hat doch mehr als einen Zahn im Mund. Wenn schon, dann sollte es doch richtigerweise Zähnepasta heißen, schließlich putzt man sich mit viel oder wenig Zahnpasta nicht nur einen Zahn. Vielleicht bloß den linken Oberen? Und dann einen Unteren zur Abwechslung?

Wegen einem so unsinnigen Wort ausgeschimpft zu werden, das ist doch lächerlich! Aber bitte, heute am Abend putze ich mir meine Zähne mit Zähnespaghetti und morgen in der Früh mit Zähneravioli.

Außerdem hat doch der Onkel Joschi erzählt, in Italien gäbe es so eine Art süßes Gebäck mit Zucker obendrauf, das immer nach Mandeln riecht. Pasta nennen die Italiener diese Weckerln, hat der Onkel Joschi gesagt.

Na bitte! Dann muß es bei uns eben Zähneomakipferln geben. Und damit gibt es keinen Grund mehr, auf die Zahnpasta böse zu sein. Die kann nichts dafür, so einen blödsinnigen Namen zu haben.

 

©  Peter Weinberger 2015