Mit Hand und Fuß

   
   
   
   

Guido war ein sehr ordentlicher Junge. Alles machte er gewissenhaft, nichts blieb unüberlegt. Deshalb sagten auch alle Tanten und Onkeln: „Alles, was er macht, hat Hand und Fuß“. Das ärgerte Guido gewaltig, denn er fand, daß dies eine blöde Redewendung der Großen ist. Aber da er auch in seinem Ärger sehr gewissenhaft war, beschloß er, tatsächlich alles mit Hand und Fuß zu machen. So nahmen seine Zeichnungen die abenteuerlichsten Formen an: Bäume mit Hand und Fuß, Häuser oder Schornsteine, Fenster und Türen mit Hand und Fuß. Manches Mal die Füße mit Schuhen, manches Mal ohne. Dann sagte er sich, so, nun einmal alles Barhand und Barfuß. Aber nicht nur seine Zeichnungen zeugten von seinem Ärger über Hand und Fuß.

Sein ganzer Sprachschatz teilte sich auf in Wörter mit Hand und Fuß und solche eben ohne. So konnte ein gut gekochtes weiches Ei durchaus hand- und fußlos sein. Spinat dagegen fand er ist Grünzeug mit Hand und Fuß.

Und überhaupt konnte man alles mit HUF oder ohne HUF sagen. HUF, denn langsam war es ihm zu zeitraubend den ganzen Satz zu gebrauchen. Ein Morgen mit HUF war eine schlechte Nacht mit Träumen, in denen es von HUFs nur so wimmelte. Ein Sonntagnachmittag konnte sehr hufisch, d.h. mit HUF ausfallen. Hufisch, das war zum Beispiel ein Besuch von Tante Emilia, die ununterbrochen sprach und überhaupt nicht sehr viel für Kinder übrig hatte; ohufisch, d.h. ohne HUF, dagegen war ein Ausflug mit Onkel Joschi in den Zoo oder ins Museum. Von Leuten, die er sah, sagte er sich: „Der hufelt sicherlich“, oder „Eben ein echter OHUF“, nämlich einer ohne HUF. Seine Spielkameraden nannte er Ohufeln. Größere Kinder dagegen, die es nur aufs Raufen anlegten, gemeine HUF-Schweine.

Allerdings blieb auch den Erwachsenen Guidos HUF-Welt nicht ganz verborgen.

Besorgt hielten sie Rat, was denn wohl in ihren netten, ordentlichen Jungen gefahren sei. Schließlich war es der ohufische Onkel Joschi, der anläßlich eines Bestechungsbesuchs in den Prater von Guido in die HUF-Welt eingeführt wurde. Onkel Joschi mußte so laut lachen, daß er vom Hutschpferd fiel.

Am nächsten Wochenende beschloß die gesamte versammelte Familie, nie wieder von jemandem zu behaupten, er mache alles mit Hand und Fuß. Nun schien alles war wieder in Ordnung zu sein. Mit einer Ausnahme: Tante Emilia wurde von allen insgeheim als Familienhufl bezeichnet. Gelegentlich verplapperte sich sogar einer und sagte zu ihr Tante Huf.

 

©  Peter Weinberger 2015